Dienstag, 5. Juni 2012

Warum tust Du das?

Diese Frage bekommt man häufig zu hören, wenn man sich anders verhält, als es erwartet wird, wenn man z.B. im Sommer barfuss oder mit freiem Oberkörper herumläuft. Aber es ist die falsche Frage. Damit wird nämlich in Frage gestellt, warum man tut, was man tun darf, ohne dass irgendjemand das Recht hat zu behaupten, dass ihn das stört. Wer mich so fragt, dem stelle ich gerne die Gegenfrage: "Warum nicht? Das ist doch nicht verboten. Und gut für die Gesundheit ist es außerdem." Und schon entwickelt sich daraus ein vielleicht kurzes, aber fast in jedem Fall angenehmes Gespräch.
Ich hätte auch antworten können: "Das geht sie gar nichts an!", und hätte einfach weitergehen können. Es wäre zwar zutreffend, dass es denjenigen, der mich so fragt, nichts angeht, aber damit, ihm das so deutlich zu sagen, würde ich mit Sicherheit nur auf Ablehnung stoßen. Und genau das will ich nicht.
Im Gegensatz zu der in diesem Zusammenhang falschen Frage "Warum tust Du das?" wird meiner Ansicht nach viel zu selten gefragt: "Warum tust Du das nicht, obwohl Du es darfst?" So wird z.B. niemand im Sommer gefragt, warum er Schuhe trägt, obwohl es nicht nur erlaubt, sondern auch gut für die Gesundheit ist, darauf zu verzichten und barfuss zu laufen. Warum stellt aber niemand diese Frage? Ich denke, es liegt vor allem daran, dass man damit fragen würde: 'Warum tust Du, was alle tun?' Die ehrliche Antwort wäre: 'Weil jeder es für richtig hält, das zu tun. Ich würde mich deshalb davor schämen, mich anders zu verhalten.' Und weil man mit einer solche Antwort rechnet, sie aber nicht bekommen möchte, schämt man sich davor, eine solche Frage überhaupt zu stellen.
Damit sind wir beim Kern des Problems: falsche Scham auf beiden Seiten. Der Eine schämt sich davor, die Handlungsweise des Anderen zu hinterfragen, und der Andere schämt sich davor zu tun, was er will, obwohl es erlaubt und gut für die Gesundheit ist, weil er nicht den Mut hat, sich anders als Andere zu verhalten. Warum eigentlich nicht? Wie ich bereits auf meiner Homepage zitiert habe:
„Man ist noch ausgesprochen klein
und weit davon, ein Mensch zu sein,
wenn man bereits entrüstet ist,
nur weil ein Anderer anders ist.“
Verfasser unbekannt