Freitag, 11. November 2011

Jugendschutz - ein heikles Thema

Wie ich bereits auf meiner HP geschrieben habe, machen viele, die in diesem Zusammenhang Verantwortung tragen, schwerwiegende Fehler und schützen dabei Kinder und Jugendliche nicht vor Gefahren, die ihnen z.B. im Internet begegnen können, sondern verhindern mit größtmöglicher Konsequenz, dass sie in eine Situation geraten können, die möglicherweise gefährlich werden könnte.
Diese Jugendschützer gefährden Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung, denn sie verhalten sich damit genauso wie Eltern, die aus dem natürlichen Recht heraus, ihre Kinder vor den Gefahren des Alltags (z.B. im Straßernverkehr) zu schützen, ihnen jegliche Teilnahme am Straßenverkehr verbieten würden. Dass ein solches Verhalten aus moralischer Sicht völlig inakzeptabel ist, muss wohl nicht betont werden.

Klar, Kinder und Jugendliche müssen vor den Gefahren geschützt werden, die ihnen im Internet und auch sonst in ihrem täglichen Leben begegnen, das steht außer Frage. Aber wie kann das funktionieren, ohne dabei wesentliche rechtliche oder moralische Regeln zu verletzen?

Es wird immer Menschen geben, die etwas dagegen haben, Bilder oder Videos im Internet (oder Fernsehen oder wo auch immer) zu sehen, auf denen nackte Kinder oder Jugendliche abgebildet sind, selbst wenn diese Abbildungen nicht in einem Zusammenhang mit Sex gesehen werden können, und es wird wohl auch immer Menschen geben, die sich an solchen Bildern aufgeilen. Aber darf die Veröffentlichung solcher Bilder oder Videos deshalb verboten oder auch nur eingeschränkt werden?
Nach meiner Überzeugung darf das nicht sein.

Kinder haben von Natur aus das Bedürfnis, sich wenigstens im privaten Umfeld nur vom Wetter abhängig so unbekleidet wie möglich aufzuhalten. Dabei sehen sie, wenn sie nackt sind oder Familienmitglieder nackt sehen, keinen Zusammenhang mit Sex, in welcher Form auch immer, denn dazu sind sie auf Grund ihres Alters noch nicht in der Lage. Auch die Eltern sehen ihre Kinder in keinem sexuellen Zusammenhang. Wo aber kein Zusammenhang mit Sex besteht, da kann ich jedenfalls keine Begründung dafür erkennen, Kinder in ihrem natürlichen Verhalten einzuschränken. Genauso halte ich es für unbegründet, Kinder z.B. im Internet niemals nackt zu zeigen oder ihnen die Möglichkeit zu verwehren, Bilder nackter Menschen gleich welchen Alters zu sehen, so lange es um Bilder geht, die mit Sex in keinem Zusammenhang stehen (z.B. Bilder von einem FKK-Gelände oder einer Nacktwanderung).
Wie bereits Bertrand Russel sagte:"Solange Kinder nicht auch bisweilen erwachsene Menschen nackt sehen dürfen, müssen die Kinder zwangsläufig das Gefühl haben, dass da ein Geheimnis ist, und wenn sie dieses Gefühl haben, werden sie aufgereizt und unanständig." Meiner Überzeugung nach kann man sogar sagen: "Solange Kinder nicht auch bisweilen erwachsene Menschen oder andere Kinder nackt sehen dürfen, ..." Es muss aber das Ziel jeglicher Erziehung sein, Kinder dazu anzuleiten, dass sie zu anständigen Erwachsenen heranwachsen. Das kann aber nur funktionieren, wenn man ihnen unter ihrem Alter angepasster Anleitung erlaubt, (nicht nur) im Internet nackte Erwachsene und Kinder zu sehen.

Außerdem: Wenn Kinder sich allein oder jedenfalls ohne die Begleitung Erwachsener und evtl. auch, ohne dass die Eltern davon wissen, z.B. an einem öffentlichen Badestrand aufhalten, an dem teilweise oder ausschließlich nackt gebadet wird, dann halten diese Kinder die Nacktheit der dort Badenden für völlig normal. Es stört auch niemanden, und völlig zu Recht befürchtet kein einziger der Anwesenden, dass ihnen dort irgendwelche Gefahren drohen. Im Internet wird ihnen aber jeglicher Zugang zu Bildern nackter Kinder und meist auch Erwachsener unmöglich gemacht, obwohl ein Mausklick genügen würde, und schon sehen die Kinder nicht mehr, was sie evtl. nicht sehen wollen oder sollen. Wo ist da eine Gefahr zu sehen? Ich kann keine erkennen.

Wie will man also einen derart restriktiven Umgang mit dem Thema Jugendschutz, wie er heutzutage im Internet (und nicht nur dort!) stattfindet, moralisch begründen? Eine rechtliche Begründung finde ich jedenfalls nicht, weder im Jugendschutzgesetz noch in anderen Gesetzen. Und auch moralische Gründe, so weit sie mir bekannt sind, kann ich nicht nachvollziehen.

Häufig falsche Abwägung zwischen verschiedenen Rechten

Man kann heutzutage, wenn man sich genau umsieht, auf Schritt und Tritt Beispiele dafür finden, dass Grundrechte zu Gunsten von Regelungen in einfachen Gesetzen eingeschränkt werden, und dass Rechten Einzelner gegenüber den Rechten der Allgemeinheit ein Vorrang eingeräumt wird, der ihnen laut Grundgesetz gar nicht zusteht.
Meiner Ansicht nach ist das ein gesamtgesellschaftliches Problem, das mit Begriffen wie "Sittenverfall" oder "Verfall moralischer Werte" nur sehr unzureichend beschrieben ist.

Was ist denn z.B., wenn es um Fotos nackter Kinder im Internet geht? Da wird gleich aus angeblichen Gründen des Jugendschutzes alles verboten, was auch nur in diese Kategorie fallen könnte. Dabei wird aber übersehen, dass das Recht der Eltern, darüber selbst zu bestimmen, wie sie die Erziehung ihrer Kinder gestalten, genau wie das Recht der Kinder auf sexuelle Selbstbestimmung, effektiv außer Kraft gesetzt wird. Damit werden Grundrechte missachtet zu Gunsten einer fragwürdigen Auslegung einfacher Gesetze (hier: Jugendschutzgesetz).

Oder was ist denn, wenn ein Nacktwanderer (oder eine Gruppe Nacktwanderer) von einem Einzelnen wegen Verstoß gegen §118 OWiG angezeigt wird? Häufig wird auf Grund der Anzeige ein Bußgeldbescheid erlassen, ohne dass dafür bei einer mit der allgemeinen Rechtsprechung übereinstimmenden Auslegung eine Rechtsgrundlage gefunden werden könnte. Damit macht der Einzelne, der Anzeige erstattet, sich gleichzeitig zum Kläger und Richter, während Polizei und Ordnungsamt sich von ihm zu Vollstreckern seiner fehlerhaften Rechtsauffassung machen lassen.

Die Liste an Beispielen aus wirklich jedem Lebensbereich könnte fast endlos fortgesetzt werden.
Beispiele dafür, dass Grundrechte verteidigt werden gegen Leute, die nur ihr eigenes Wohl im Blick haben, gibt es aber sehr selten.
Und genau da liegt das Problem. Es erscheint höchst einfach, wenn man nur selbstbewußt genug auftritt, die Grundrechte jedes Anderen zu verletzen, wann, wo und wie man will, während es sehr viel Mut, Ausdauer und finanzielle Belastbarkeit erfordert, einen jahrelangen Rechtsstreit zu führen, oft auch über mehrere Instanzen, wenn man dagegen vorgehen will, dass man in seinen Grundrechten verletzt wurde.
Aus moralischer Sicht erscheint dieser Zustand inakzeptabel.

Armer Rechtsstaat, kann ich da nur sagen, wie tief sind denn bloß die Abgründe, in die du da geraten bist?!