Freitag, 11. November 2011

Häufig falsche Abwägung zwischen verschiedenen Rechten

Man kann heutzutage, wenn man sich genau umsieht, auf Schritt und Tritt Beispiele dafür finden, dass Grundrechte zu Gunsten von Regelungen in einfachen Gesetzen eingeschränkt werden, und dass Rechten Einzelner gegenüber den Rechten der Allgemeinheit ein Vorrang eingeräumt wird, der ihnen laut Grundgesetz gar nicht zusteht.
Meiner Ansicht nach ist das ein gesamtgesellschaftliches Problem, das mit Begriffen wie "Sittenverfall" oder "Verfall moralischer Werte" nur sehr unzureichend beschrieben ist.

Was ist denn z.B., wenn es um Fotos nackter Kinder im Internet geht? Da wird gleich aus angeblichen Gründen des Jugendschutzes alles verboten, was auch nur in diese Kategorie fallen könnte. Dabei wird aber übersehen, dass das Recht der Eltern, darüber selbst zu bestimmen, wie sie die Erziehung ihrer Kinder gestalten, genau wie das Recht der Kinder auf sexuelle Selbstbestimmung, effektiv außer Kraft gesetzt wird. Damit werden Grundrechte missachtet zu Gunsten einer fragwürdigen Auslegung einfacher Gesetze (hier: Jugendschutzgesetz).

Oder was ist denn, wenn ein Nacktwanderer (oder eine Gruppe Nacktwanderer) von einem Einzelnen wegen Verstoß gegen §118 OWiG angezeigt wird? Häufig wird auf Grund der Anzeige ein Bußgeldbescheid erlassen, ohne dass dafür bei einer mit der allgemeinen Rechtsprechung übereinstimmenden Auslegung eine Rechtsgrundlage gefunden werden könnte. Damit macht der Einzelne, der Anzeige erstattet, sich gleichzeitig zum Kläger und Richter, während Polizei und Ordnungsamt sich von ihm zu Vollstreckern seiner fehlerhaften Rechtsauffassung machen lassen.

Die Liste an Beispielen aus wirklich jedem Lebensbereich könnte fast endlos fortgesetzt werden.
Beispiele dafür, dass Grundrechte verteidigt werden gegen Leute, die nur ihr eigenes Wohl im Blick haben, gibt es aber sehr selten.
Und genau da liegt das Problem. Es erscheint höchst einfach, wenn man nur selbstbewußt genug auftritt, die Grundrechte jedes Anderen zu verletzen, wann, wo und wie man will, während es sehr viel Mut, Ausdauer und finanzielle Belastbarkeit erfordert, einen jahrelangen Rechtsstreit zu führen, oft auch über mehrere Instanzen, wenn man dagegen vorgehen will, dass man in seinen Grundrechten verletzt wurde.
Aus moralischer Sicht erscheint dieser Zustand inakzeptabel.

Armer Rechtsstaat, kann ich da nur sagen, wie tief sind denn bloß die Abgründe, in die du da geraten bist?!

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